Neuanfang für Ex-Karmann bei Volkswagen in Osnabrück

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Ulrike Schmidt 26. Dezember 2010 16:39 Uhr Mehr Artikel von dieser Autorin

Osnabrück. Für Friedrich Wojak war 2010 ein gutes Jahr: Er gehört zu den Ex-Karmännern, die bei VW Osnabrück einen neuen Job gefunden haben. Doch bei aller Freude denkt der Kfz-Meister auch an alte Kollegen: „Ich kenne genug, die Haus und Hof verloren haben oder bald verlieren werden.“

Der 58-Jährige, der als ältester ehemaliger Karmann-Mitarbeiter von Volkswagen übernommen wurde, hat die Arbeitslosigkeit erlebt, das Nicht-Gebrauchtwerden, die Hoffnungslosigkeit, die Zukunftsangst, die Sorgen, wie es finanziell weitergeht.

Dabei hatte 1978 alles so gut angefangen. Als junger Kfz-Mechaniker heuerte Wojak bei Karmann in der Endmontage für den Scirocco 1 an. „180 Einheiten pro Schicht“, erinnert er sich, „eine richtige Knüppelei“. Aber die Sorgen, ob er durchhalten würde, schwanden mit der ersten Abrechnung: 9,20 Mark Stundenlohn konnte der Jungverheiratete gut gebrauchen.

Friedrich Wojak erlebte Autogeschichte. Bei seinem Start lief auf einem Band noch der Käfer („rot mit beigefarbenem Dach, furchtbar“). Das Golf Cabrio wurde erstmals gebaut, später der Corrado, der Mercedes, der Crossfire. Der junge Mann arbeitete sich hoch, wurde Vorarbeiter, die Arbeit abwechslungsreicher und interessanter. Und es war viel zu tun. Überstunden und Wochenendschichten spülten Geld in die Familienkasse. Die Wojaks bauten.

Ermuntert von seinem Chef, begann Friedrich Wojak die Weiterbildung zum Meister. Zweieinhalb Jahre besuchte er die Abendschule, ging danach oft direkt weiter zur Arbeit bei Karmann. 1990 bekam er den Meisterbrief. Alles lief rund, die große Feier zum 100-jährigen Firmenjubiläum ließ auf eine strahlende Zukunft des Unternehmens hoffen.

Doch kurz danach ging es Schritt für Schritt bergab: 2004 gab es die ersten Entlassungen, Kurzarbeit und Lohneinbußen folgten. Friedrich Wojak blieb, überstand die Kündigungswellen. Aber 2009 war auch er an der Reihe. „Mit Tränen in den Augen“, so erzählt er, habe er noch mit 150 Kollegen aus der Endmontage die Halle sauber gemacht. Nach dem 30. Juni war er dann „freigestellt“ – „ohne einen Cent Abfindung“.

In der Transfergesellschaft fehlte zunächst das Geld für Weiterbildung. Für einen Job in der Werkstatt, das gibt Wojak unumwunden zu, fehlt ihm die Kenntnis der aktuellen Technik und der neuesten Messgeräte. Früher habe er öfter gehört: „Fortbildung gibt es für euch nicht, dann arbeitet ihr nur schwarz.“ Eine Umschulung zum Kfz-Sachverständigen, das konnte er sich vorstellen. Doch dafür kamen nicht genug Leute zusammen.

Die Zukunft: Hartz IV

Friedrich Wojak ist zur Untätigkeit verdammt. Die Aussicht auf Hartz IV – mit 58 zwar erst nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit – ist trübe. Durch einen Todesfall in der Familie kommen unerwartete finanzielle Belastungen auf ihn zu. „Ich habe gelernt, mit weniger auszukommen“, sagt er rückblickend. Er und seine Frau gingen kaum noch aus dem Haus, die sozialen Kontakte wurden weniger: „Je länger man arbeitslos ist, desto schlimmer ist es.“

Der Start von VW Osnabrück lässt ihn wieder etwas hoffen. Er gibt seine Bewerbung mit der Bemerkung ab: „Sie haben mich rausgeschmissen, dann können Sie mich auch wieder einstellen.“ Das große Bangen und Warten begann, begleitet von Worten wie „Ältere haben nun mal schlechtere Aussichten“.

Doch Friedrich Wojak ließ nicht locker: „Ich muss da irgendwie mit rein“, stand für ihn fest. Er telefonierte immer wieder mit seinem ehemaligen Chef, er setzte sich mit dem Betriebsrat in Verbindung. Am 19. Oktober endlich klingelte sein Handy.

Eine Meisterstelle bekam er zwar nicht mehr, und als „Teamsprecher Endmontage“, also Vorarbeiter, verdient er einige Hundert Euro weniger als früher. Aber dafür setzte er seine Unterschrift unter einen Festvertrag ohne Probezeit. Nun baut er am neuen Golf 6 Cabrio. Fotografieren ist dort derzeit nicht erlaubt. Aber später. Friedrich Wojak freut sich darauf, „seine“ Halle zu fotografieren. Dort ist seit 32 Jahren sein Arbeitsplatz – mit 17-monatiger Zwangspause.

  Aus Karmann wurde VW Osnabrück: Friedrich Wojak ist als ältester der Ex-Karmänner übernommen worden.